'Hellmut Flashar§Die Ilias§§Das erste Literaturwerk Europas§§Ein Buch über Meisterwerke der antiken Literatur beginnt sinnvoller Weise mit der Ilias. Sie ist das erste vollständig erhaltene große Werk der Weltliteratur, der Anfang der europäischen Literatur überhaupt. Und sie ist in ihrer...
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'Hellmut Flashar§Die Ilias§§Das erste Literaturwerk Europas§§Ein Buch über Meisterwerke der antiken Literatur beginnt sinnvoller Weise mit der Ilias. Sie ist das erste vollständig erhaltene große Werk der Weltliteratur, der Anfang der europäischen Literatur überhaupt. Und sie ist in ihrer unermeßlichen Wirkung stets als ein Meisterwerk empfunden worden, selbst dort, wo man die Dichtung kritisiert hat. Mit den Worten: 'Alle haben von Homer gelernt' leitet der Dichter und Philosoph Xenophanes (6. Jh. V. Chr.) seine Kritik gegen die Darstellung der Götter bei Homer ein, und Platon bekennt in seinem Staat, in dem er am radikalsten die Dichtung im Namen der Philosophie kritisiert, er könne kaum über Homer sprechen, weil eine innere Verbundenheit und geradezu ein Gefühl der scheuen Ehrfurcht Homer gegenüber ihn von Kindheit an ergriffen hat (Staat X 595 B). So bezeugen gerade die Kritiker Homers dessen Autorität.§In der Tat hatte die Ilias, mehr noch als die Odyssee, schon für die Grie chen selbst den Charakter einer autoritativen Norm. Was Streit und Versöhnung, Krieg und Frieden, Freundschaft und Feindschaft, Überredung und Nachgeben, Abschied (zumal in der Form des Kriegerabschieds ins Ungewisse), Hoffnung und Verzweiflung bedeuten, fanden die Griechen jahrhundertelang in der Ilias modellhaft präformiert.§Hier beginnen zugleich die Probleme. Wie kann etwas derart Großes und Normgebendes am Anfang stehen? Das widerspricht einer biologisch orientierten Literaturtheorie, wie sie Aristoteles etabliert hat, wonach Dichtung sich aus kleinen Anfängen erst im allmählichen Wachstum zu einer Blüte entfaltet. Und in der Tat hat Aristoteles große Schwierigkeiten, Homer in seine Poetik zu integrieren, wenn man einmal darauf achten wollte. Für uns bedeutet das: Wir müssen fragen, was war vor Homer? Wir treten damit allerdings in das Reich der Hypothesen ein. Darin gibt es Wahrscheinlichkeiten und Evidenzen, die man zum Verständnis der Produktions- und Rezeptionsbedingungen de s homerischen Epos kennen sollte, und bloße Mutmaßungen, die sich nicht in den Status auch nur des Plausiblen erheben lassen.§Da Schriftquellen versagen, wird das methodische Instrumentarium aus den Befunden der archäologischen Forschung, aus der vergleichenden Epenforschung und aus der in letzter Zeit mächtig aufgeblühten Forschung zu den Phänomenen Oralität und Gedächtnis bestehen.§Beginnen wir mit dem äußeren Gegenstand der Ilias, mit Troia. Als Heinrich Schliemann im Jahre 1870 seine Grabungen in Troia mit dem Homertext in der Hand begann, da stieß er in nach heutigen archäologischen Grundsätzen unverantwortlicher Methode sehr schnell auf eine Schicht, in der er mit reichen Funden (besonders dem sogenannten Schatz des Priamos) die homerische Welt wiederzufinden glaubte, deren Historizität damit gesichert und durch Homer nur dichterisch überhöht erschien, wie ja auch die gesamte Antike, gerade auch die kritische Geschichtsschreibung z.B. des Thukydides, den troischen Krieg unter d em überwältigenden Eindruck Homers für ein historisches Faktum hielt.§Auch heute wird wieder in Troia gegraben, seit 1985 unter der Leitung des Tübinger Prähistorikers Manfred Korfmann. Sein Ergebnis ist dies, daß es den troischen Krieg nicht gegeben hat, sondern viele kleinere kriegerische Auseinandersetzungen, aber nicht, weil Paris Helena entführt hat, sondern wegen der überragenden wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt. Troia, an der Nahtstelle von Orient und Okzident mit der Möglichkeit der Kontrolle über die Zufahrt zu den Dardanellen, war ein Handelszentrum und Umschlagplatz von großer Bedeutung. Importe und Exporte lassen sich anhand der Funde scheiden, die Verbreitung kulturspezifischer Artikel in alle Himmelsrichtungen verfolgen. Troia ist mehrfach zerstört und wiederaufgebaut worden. Man scheidet heute 46 Bauphasen in neun Schichten mit zahlreichen Unterschichten und gelangt damit zu einem Ort, der über einen langen Zeit
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